Die 10 Federzeichnungen

Um das Jahr 1860 kamen zehn Federzeichnungen in den Besitz des Germanischen National-Museum in Nürnberg, ohne dass man weiß, wie sie dort ankamen oder welchen Ursprung sie hatten.

Dass sie aber mit dem Kloster Schönau in Verbindung stehen und von ihm berichten, beweisen die Unterschriften auf den Bildern. Aus diesen kurzen Hinweisen kann man erkennen, dass die Bilder Skizzen aus der Geschichte des Klosters darstellen. Auf dem ersten Bild ist die Jahreszahl 1553 angegeben, doch wird vermutet, dass die Bilder schon viel älter sind. Spärlich sind die Urkunden, die uns über das Kloster Schönau berichten und manches, was wir von seinen Bauten wissen, beruht auf einer Vergleichung mit anderen Zisterzienserklöstern wie Maulbronn und Bebenhausen.

So skizzenhaft auch diese Federzeichnungen sind, so sind sie doch von großer Naturwahrheit und verraten die Hand eines bedeutenden Künstlers und man vermutet, dass sie nur Entwürfe für Glasgemälde oder vielleicht noch mehr für große Wandgemälde in der Kirche, dem Kapitelsaal oder im Kreuzgang sein sollten. Die Blätter sind durchschnittlich 39 cm breit und 49 cm hoch.

Sie können in drei Gruppen eingeteilt werden

  • Die erste Gruppe zeigt die Gründung und den Bau des Klosters
  • Die zweite Gruppe berichtet von der Lebensgeschichte der heiligen Hildegunde
  • Die dritte Gruppe erzählt von der Verschwörung der Konversen gegen den Abt (Stiefelrevolte)

Zur 850-Jahr-Feier wurden die Originale in der Stadt Schönau im Odenwald ausgestellt. Hierfür dankt die Stadtverwaltung Schönau recht herzlich. Besuchen Sie gerne das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Näheres unter: Ihr Museum in Nürnberg | GERMANISCHES NATIONALMUSEUM

Bischof Buggo von Worms gründet das Schönauer Kloster, als man zählte der Jahre 11 Hundert 40 und 2.

Gemeint ist damit Erzbischof Burkhard II. Er ist mit Krummstab, Mitra und Ring dargestellt und wird von zahlreichen Domherren und Geistlichen begleitet. Sein Gegenüber ist wahrscheinlich als Graf Boppo III. von Lauffen anzusehen, dem der Grund und Boden bis zur Klostergründung verliehen war, und der durch den Verzicht darauf dessen Gründung erst ermöglichte.

Der Bischof weist auf einen Platz am Bach, auf dem eine kreuzgekrönte Bildsäule steht, den Platz des späteren Klosters. Die Stelle ist am Zusammenfluß zweier Bäche gelegen, der Steinach und des Greinerbaches; die an mehreren Stellen durch kleine Brücklein überspannt werden.

Die Bachufer und die ansteigenden Hänge sind zum Teil mit lichtem Baumbestand bestückt. Im Hintergrund rechts steht am Bach eine Gruppe von Häusern (Blindenbacher Hof), eine auf der Höhe stehende Burg (Mittelburg) ist durch die Bergkuppe halb verdeckt.

Wild grast auf der Bachaue und in den Wäldern. Die "schöne Aue" ist so als liebliches Tal zwischen bewaldeten Höhen charakterisiert.

Die Grenzen des dem Kloster überlassenen Gebietes werden wie folgt beschrieben: "vom Bach genannt Klüpfelsbach bis zum Blindenbach (Lindenbach) auf beiden Seiten des Flusses Wiesen, Äcker, Wasserläufe und Gebüsch mit dem angrenzenden Wald zwischen Gansach (Katzelter) und Ottersbuch (Rittersbach).

Hier erbauen die Wohnung die Arbeitsmönche des Klosters, welche der Frömmigkeit Trieb zu diesem Werke bewegt.

Hier also wird gebaut und zwar das Wohnhaus des Klosters. Zwanzig Mönche sind in voller Tätigkeit.

Die Mönche bauen ihre Klostergebäude selbst. Das nötigt uns, hier eine allgemeine Bemerkung über die Einrichtung des Zisterzienserklosters beizufügen. Jedes Zisterzienserkloster umschloß zweierlei Mönche in seinen Mauern. Die einen, die eigentlichen Mönche, die sich der Andacht und der Gottesverehrung nach der strengen Ordnung der Regel des hl. Benedikt hingaben, die wohl in der größeren Zahl vertreten waren und fratres professi - Professen - hießen, und dann die fratres conversi, auch fratres barbati genannt: das waren die Arbeitsmönche, denen die Handarbeiten des Klosters, Landbau und Handwerk oblag, da alles im Kloster selbst verfertigt werden mußte. Man nennt sie auch Laienbrüder, aber mit Unrecht. Sie lebten ganz wie die anderen Mönche im Kloster, hatten aber ihren eigenen Raum in der Kirche, ihre eigene Wohnung, ihren eigenen Schlafsaal, ihr eigenes Refektorium oder Eßsaal, ihre eigene Küche; sie trugen dasselbe Mönchsgewand mit einer geringen Beigabe, eine Art Überwurf, der nach vorn und hinten fiel: sie hatten aber nicht die große Tonsur der Professen und trugen Vollbärte, daher sie eben barbati genannt wurden. Auf unseren Bildern sind immer beide Arten unterschieden.

In jedem Kloster der Zisterzienser ist deshalb die Kirche so unverhältnismäßig lang, weil jede sozusagen zwei Langhäuser mit 2 Altären hat; beide Kirchen waren hier und dort durch höhere Mauern voneinander geschieden: das eine Refektorium war das Herren- oder Professen-Refektorium und das andere Refektorium war das der Conversen.

Außer diesen zwei Mönchsklassen gab es strenggenommen noch zwei: die sog. Klosterverwandten, familiares oder amici, die als Taglöhner, Handwerker arbeiteten, und solche, die etwa im Alter sich anschlosseen an das Kloster, ihm ihr Eigentum übergaben und als Wohltäter und Seelbrüder die Gemeinschaft des religiösen Lebens genossen, sog. Pfründner, die nicht an die Ordensregeln gebunden in einem löslichen Verhältnis zum Kloster standen. Letztere wohnten außerhalb der Mauern des Klosters umschlossen. Das Kloster Bebenhausen hatte z. B. eine dreifache Mauer.

Es waren also die Conversi, die das Wohnhaus des Klosters bauten, darum tragen sie auch auf dem Bilde alle stattliche Vollbärte; die Professen sind immer glattrasiert gezeichnet und nur mit einem schmalen Ring von Haaren auf dem Haupte, die große Tonsur.

Darbringt hier dem Papste das Kloster die Sammlung der Brüder, dauernd ihm günstig zu sein, er gesegnet an Macht.

Der Papst thront in vollem Ornat mit dreifacher Krone auf dem Haupte und dreifachem Kreuz in der rechten Hand; rechts und links stehen Kardinäle, rechts drei, links zwei und der Dritte, der mit der Hand sozusagen fürbittend auf das Kloster hinweist, ein Ordensgeneral. Vor dem Papste knieen der Abt von Schönau und noch weitere zwölf Mönche, also die ganze Repräsentanz des Klosters und halten ihm die Klosterkirche im Modell entgegen. Unter der Kirche ist ein Hof des Klosters abgebildet. Der Papst faßt mit seiner linken Hand die Spitze des Klosterkirchturms, womit sinnbildlich einfach angedeutet wird, daß er das Kloster in seine Gunst und in seinen Schutz nehmen wolle. Am linken Knie des knieenden Abtes leht ein Wappenschild, auf dem das Klosterwappen, der Abtsstab mit dem S von Schönau und der Schlüssel des Bistums Worms überkreuz abgebildet sind.

Wann ist nun das geschehen und welcher Papst ist es, dem das Kloster dargebracht wird: Das Bild selbst gibt keine Auskunft darüber, aber in einer Urkunde des Klosters (bei Schannat, Gudenus und Würdtwein) ist vermerkt: "im Jahre 1204. Innocentius III. bestätigt die Privilegien des Schönauer Klosters, er zählt auf die Mayerhöfe und Güter des Klosters als die in Neuenheim, Schrießheim, Marpach, den neuen Hof in Virnheim, Scharren, Vutensheim, Rohrheim, Grensheim, Bliggersforst, Bruchhausen, Lochheim, Ericheshausen, Glismuteshausen, Neckarhausen und in Michelbuch. Er räumt ihnen ein Befreiung vom Zehnten und das Recht, sowohl Freie als Freigelassene aufzunehmen und zu behalten u.s.w." Also der Papst, den das Bild darstellt, ist Innocentius III., der von 1198 - 1216 als einer der gewaltigsten Päpste der röm. Kirche regierte. Er hat übrigens seine Schutzpflicht schon 1214 an den Erzbischof von Mainz abgetreten, wie eine andere Urkunde bezeugt. Wer im Jahre 1204 Abt in Schönau war, ist nicht bekannt. 1196 war der berühmte Diepold Abt, der vorher in Eberbach gewesen war und 1206 war ein Abt namens Walter hier; wie sich aber ihre Amtsjahre abgrenzen oder ob ein Dritter und Vierter dazwischen war, ist unbekannt. Der auf dem Bilde allein abgebildete Hof ist ein mit Weidengeflecht und hölzernem Tor eingeschlossener Raum mit einer kleinen Kapelle, etlichen Häusern und einem großen Ziehbrunnen. Wie dieser Hof heißt, ist nicht angegeben; möglicherweise ist es nur ein Sinnbild für alle Güter und Mayerhöfe, die damals das Kloster schon besaß und die oben genannt sind. Sie sind topographisch ganz richtig aufeinanderfolgend aufgezählt und bilden einen ganzen Kreis, an dessen Peripherie Schönau selbst liegt.

Heinrich der Kaiser und Ludwig und der röm. König Rupertus geben Freiheit dem Kloster sowie all seinem Gut.

Die Fürsten sitzen in einer offenen Säulenhalle, von links nach rechts vom Betrachter sind es Adophus, Sigismundus, Kaiser Heinrich, Rupprecht der römische König, Heinricus und Ludovicus. Nur von 4 Fürsten kann mit Sicherheit angegeben werden, welche Personen gemeint sind; von zweien ist das nicht zu erkennen, weil verschiedene Fürsten dieses Namens vorkamen und verschiedene Fürsten gleichen Namens sich um das Kloster verdient gemacht haben. Unter Kaiser Heinrich ist höchst wahrscheinlich nicht Heinrich VII. zu verstehen, sondern Heinrich VI., der weitaus größere Verdienste um das Kloster für sich aufweisen kann. Wie Sigismund zur Ehre kommt, auf diesem Bilde mit seinen schönen Haaren zu figurieren, ist höchst fraglich, da sein Name bei keiner Schenkung in den bis jetzt bekannten Urkunden vorkommt. Henricus ist höchst wahrscheinlich Heinrich der Welfe und Ludovicus nicht Ludwig der Bayer, sondern Ludwig I., Pfalzgraf bei Rhein. Adolphus ist viel eher als Adolph von Nassau jener unglückliche Pfälzer Fürst, der von seinem Oheim, Ludwig dem Bayer, um seine Erbe gebracht, lange Zeit in unseligem Familienzwist gegen seinen Oheim kämpfte, bis er im Jahre 1327 starb. Er war der ältere Bruder jenes Rupprecht I., der im Jahe 1386 die Universität Heidelberg gründete. Seine Grabesruhe fand Adolph hier im Kloster Schönau, wie aus einer Urkunde seines Sohnes Rupprecht II. unzweifelhaft hervorgeht. Auf dem Bilde ist er als ein schöner Jüngling mit lockigem Haar dargestellt: er ist nur 26 Jahre alt geworden. Das Schicksal hat insofern ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, als sein Sohn Rupprecht II. Kurfürst wurde und sein Enkel, eben jener Rupprecht III. der römische König.

Zu den Füßen dieser Fürsten liegen nun auf dem quadratisch umrahmten Pflaster ausgebreitet zunächst zu den Füßen des Kaisers das ganze Kloster selbst und darunter in einem Halbkreis drei mit Flechtwerk umgebene Höfe oder Dörfer mit hohen hölzernen Toren und einer Anzahl kleinerer, meist aber größerer Gebäude, unter denen ein turmartiges Gebäude besonders auffällt. Was das für drei Dörfer oder Höfe sind, ist nicht bezeichnet. Es wird vermutet, es sind Oppau, Scharrau und Virnheim, die lange Zeit mit allen Rechten Eigentum des Klosters gewesen sind.

Die Jungfrau im Männerkloster

(Eine Heiligenlegende)

Es war um die Pfingstzeit des Jahres 1187. Die Wälder um Schönau rauschten im neuen Schmuck der Blätter, die Obstbäume standen in herrlichster Blüte. Da klopfte eines Abends einmüder Wandersmann, der früh morgens von Speyer aufgebrochen war, an die verschlossene Pforte des romanischen Klostertores von Schönau. Er schien einem schmächtigen Jüngling gleich, mit langen, lockigen Haaren; so zeigt ihn eine der 10 Federzeichnungen aus späterer Zeit. Als der bärtige Pförtner öffnete und der Abt Godefrid ihn einließ, schritt der Ankömmling über die Torschwelle und mit ihm die am meisten romantische und von Wundern erfüllte Episode aus der Klostergeschichte von Schönau. Die Mönche nahmen den Ankömmling freundlich auf und später wurde er ihnen allen lieb und wert. Nur zwei machten eine Ausnahme. Dem einen stiegen seltsame Empfindungen in seiner Seele auf, so oft er ihn ansah - und er murmelte für sich: es ist ein Weib! Der andere suchte ihm auszuweichen und sich möglichst fern von ihm zu halten vor Angst und Schrecken, denn er behauptete: es ist der Teufel. Es war weder ein Weib noch ein Teufel; es war die hl. Hildegunde von Schönau.

Über das Leben der Hildegunde existieren drei Schriften. Eine Prosaschrift, die angibt, noch im Todesjahr der Jungfrau geschrieben zu sein. Eine zweite Vita Hildegundis ist gar nichts als die poetische Gestaltung dieser ersten Biographie in lateinischen Hexametern. Die dritte endlich muß später verfaßt sein und enthält mehr legendarisches und mirakulöses als die erste.

Hildegundis, die Jungfrau, verborgen im männlichen Kleide, Joseph genannt, begehrt fromm des gesegneten Ordens Gewand.

Hier sehen wir das große Klostertor, auf dessen beiden Seiten die Mauer sich hinzieht und innerhalb der Mauer eine Anzahl von Gebäuden, unter denen die Kirche durch ihren Dachreiter gut zu erkennen ist, noch 3 andere Gebäude tragen Türmchen.

Vor dem Tore steht der Abt mit dem Abtsstab, zwei Professen hinter ihm; vor dem Abt kniet Hildegunde; ihre Hände nach der Art der katholischen Gebetsweise gefaltet, bedeuten ihre demütige Bitte um Aufnahme; links hinter ihr steht der Bruder Pförtner, ein Converse, in ruhiger, erwartungsvoller Haltung, die beiden Hände hinter dem schurzartigen Überwurf seines Gewandes, wie in einem Muff verborgen. An seinem Gürtel trägt er eine Tasche und wie es scheint ein Messer in der Scheide oder Futteral, ebenso Hildegunde, beides in kleiner Gestalt. Das Auffällige an diesem Bilde ist der Umstand, daß Hildegunde lange Haare auf den Rücken hinabfallen läßt, was doch eigentlich der Unterschrift unter diesem Bilde selbst widersprechen würde, wenn wir nicht annehmen könnten, daß auch Mannsleute in damaliger Zeit nach einer alten Gewohnheit mancher deutschen Stämme die Haare lang getragen haben, wenigstens die Freien unter ihnen. Der Künstler liebt es offenbar, solche langen Haare zu zeichnen; auf dem Bilde der Wohltäter tragen vier Fürsten auch prächtig gekräuselte lange Haare. Möglicherweise sind aber diese Haare ein sozusagen bildliches Hysteron-Proteron, d.h. eine Vorwegnahme dessen, was erst später bekannt geworden ist.

Man schert der Jungfrau das Haar und zieht ihr das hl. Gewand an. Zur Rückkehr wird sie versucht, Eberhard der Fromme gewahrt es.

Man sieht in 3 Räume hinein: links in das Rasier- und Frisier-Zimmer des Klosters. Es hat 2 große Rundbogenfenster und ein Kreuzgewölbe mit großem Schlußstein. Es ist ohne Zweifel das Rasierzimmer, denn an der Wand links hängt ein runder Spiegel, wie ein Hohlspiegel gestaltet, und rechts unter dem Spiegel stecken an einer Leiste an der Wand 2 Messer ganz wie unsere Rasiermesser, wie zum Gebrauch ins Dreieck gelegt: noch ein Instrument liegt daneben, es könnte eine Bürste sein mit einem Stiel.

In diesem Raum sitzt Hildegunde auf einem Stuhl, ein Mönch legt von hinten her seine linke Hand auf ihren Scheitel und mit der rechten schneidet er ihr das Haar mit einer Schere ab. Zwei Mönche mit großer Tonsur stehen vor ihr; der eine hat das Mönchsgewand, das für Hildegunde bestimmt ist, über den linken Arm geschlagen, der andere trägt in der linken ein Paar hohe Stiefel, die wie Stulpenstiefel herunterfallen. Im zweiten Raume, in den wir über die Fensterbank hineinsehen, sitzt Hildegunde und liest mit einem Mönche aus einem Buch, sie ist gerade im Begriff, ein Blatt umzuschlagen. Die Versuchung, die sie erfährt, wird auf kraß naturalistische Weise kenntlich gemacht; ein geflügelter Teufel schwebt über ihr und hält in seinen Händen eine dicke Kette, die in einen eisernen Ring ausläuft und dieser Ring ist um den Hals der Hildegunde gelegt. Beim Teufel fehlen nicht die langen Ohren, die stachligen Flügel und die spitzigen Klauen, kurz ein Teufel von keinerlei Kultur beleckt.

Der dritte Raum dieses Bildes ist ein Platz zu ebener Erde unter einem von Säulen getragenen Vorbau. Da stehen 2 Mönche im Gespräch; von diesen wird wohl der eine der "göttliche" Eberhard sein, der die Versuchungen im Herzen der Jungfrau, vielleicht auch den Teufel samt seiner "verbindlichen Kette" sieht.

Bei dem Bau des Schlafsaals arbeitet fleißig die Jungfrau; aber im Probejahr noch, ruft sie zu den Sternen der Tod.

Man sieht hier, wie Hildegunde mit einem anderen Mönch auf einer Tragbahre Steine heranschleppt. Rechts oben im Bilde sieht man sie wieder auf einer Matte auf dem Boden liegend; zwei Mönche knieen rechts und links an ihrem Lager mit Licht, Weihwedel und Kruzifix, während zwei Engel in einem Tüchlein ihre Seele in den Himmel emportragen.

Außerhalb dieses Gebäudes sieht man drei andere Mönche beschäftigt: der eine trägt auf einer Leiter Mörtel herbei, der zweite legt Mörtel auf eine Quaderschicht auf, der dritte schlägt mit einem Hammer einen Quader fest. Auch hier ist die Vorrichtung zum Emporwinden der Steine zu sehen und zwar noch deutlicher; das Seil wird um eine Walze oder Rolle geschlungen und aufgerollt.

Verschwörung der Konversen gegen den Abt

Von Gründung und Wachsen des Klosters, von seinen weltlichen Gütern und Rechten und seinem geistlichen Schatz erzählen die Zeichnungen. Aber die Schlußtafeln wissen auch von Unruhe, Trotz, Widerstand gegen die Strenge der Regeln. Sie lassen aus der Klostergeschichte eine tumultartige Episode ersehen, den Beginn einer Verschwörung, die die Entwicklung des Klosters tiefgreifend hätte stören können, wenn sie nicht durch einen Zufall im Keim erstickt wäre. Von dieser Stiefelrevolte hat Abt Konrad von Eberbach, dem Mutterkloster Schönaus, berichtet, aufgrund von Mitteilungen seines Vorgängers, der die Begebenheit selber erlebt hat. Zeitlich fällt die Episode noch vor das Noviziat der Hildegunde, spätestens 1182. Dennoch bleibt es sinnvoll, die Bilder an den Schluß zu sezten. War das Geschehnis auch durch die schnelle Lösung für die Geschichte des Klosters Schönau unwesentlich, es wuchs noch lange Reichtum und Bedeutung der Abtei.

Von Aufsässigkeiten der Möche erzählen uns öfter Chroniken und Legenden. Kloster Citeaux war einst vom hl. Robert gegründet, weil er als Abt zu Molesme vergeblich gegen die Unbotmäßigkeit der Mönche angekämpft hatte. Das Volk in Heidelberg wollte wissen, daß die Benediktinermönche auf dem Heiligenberg einmal den Abt gebunden und eingesperrt hatten, um eine Nacht bei Wein, Brot und Kuchen zu prassen. Denn ihr hartes Hafer- und Kleienbrot schmeckte ihnen bitter, als sie sahen, welche leiblichen Genüsse den reichen Schönauern gestattet waren. Doch das ist eine Sage mit frommen Mirakel ausgeschmückt. Öfter bezeugt aber ist, wie im Zisterzienserorden die Konversen durch Widersetzlichkeit und Machthunger das feste Gefüge der Klöster erschütterten. Was lag auch näher? Sie mußten bald erkennen, daß in ihnen der wirtschaftliche Aufschwung des Ordens ruhte. Sie waren der Zahl nach den Mönchen überlegen, der Stellung nach ihnen untergeordnet. Konnten die Konversen im Bereich der Klostermauern auch zunächst leicht in Zucht gehalten werden, auf den Außenhöfen waren sie trotz aller Maßnahmen schwerer zu überwachen. Da reckte sich dann wohl bei dem wachsenden Reichtum der Klöster der Wille auf, sich Vorteile, Erleichterungen und eine freiere Stellung gegenüber den "Herren" zu verschaffen. War aber einmal erst der Geist des Widerstandes geweckt, so konnte er auch leicht auf die Laienbrüder im Kloster überspringen. Unter diesen war sogar in Schönau der Rädelsführer der Revolte, an der, wie es schein, die Konversen auf den Höfen beteiligt gewesen sind. Das Mutterkloster Eberbach sah übrigens um 1200 ähnliches.

Gegen die Regel des Ordens hatte sich in Schönau die Sitte eingeschlichen, daß die Stiefel der Konversen und Mönche nicht bis zur Unbrauchbarkeit aufgenutzt wurden. Vielmehr wurden alljährlich neue Stiefel ausgeteilt. Abt Godefridus, der früher in einem anderen Kloster Mönch war, wollte nun die Ordnungswidrigkeit abstellen und ging mit festem Willen aber viel Geduld dagegen an. Erst redete er gütlich zu, ermahnte, dann befahl er. Die Mönche hatten gleich Verständnis für den Wunsch des Abtes, die Konversen aber versteiften sich in Trotz. Zumal einer, der das Mönchsdormitorium zu besorgen und die Stiefel zu bewahren hatte, ließ es sich angelegen sein, daß das Gezischel und Murren in den Winkeln nicht ausging. Da drohte der Abt Fasten bei Wasser und Brot an für den, der das Schweigegebot bräche. Mehrfach mußten wirklich die Rädelsführer büßen. Aber nicht Strafe noch ermahnendes Zureden fruchteten. Der Verwegene stachelte schließlich die Gefährten zu direktem Aufstand an: am heiligen Abend wollten sie in Abwesenheit der Mönche in das Dormitorium steigen, deren Stiefel von den Betten wegnehmen, mit Messern zuschneiden und zerreißen. Aber vor der Ausführung des schändlichen Planes stürzt plötzlich der Anstifter mit lautem Schmerzensschrei zusammen und ist tot. Ohne Buße ist er dahingegangen. Entsetzt erkennen die übrigen Frevler ihr gottloses Tun und gehen in sich ...

Es verschmähen die Conversen alte Stiefel zu tragen, was Godefridus der Abt scharf mit Strafe bedroht.

Wir sind in einem nüchternen Vorratsraum. Der Abt zeigt die Stiefel überredend und doch mit einem Zug von Verachtung. Seine Worte prallen zurück von zornigen, höhnischen und verbissenen Gesichtern. Dicht drängen sich die Widerspenstigen zusammen, als fühlte jeder in der Nähe des andern seinen Mut wachsen. Der Wortführer steht in vorderster Reihe, der Schlüsselbund am Gürtel macht ihn kenntlich. Abseits halten sich ein paar Herrenmönche zurück, sie mißbilligen den Trotz der Konversen, sind dem Abt ergeben. Jede Gestalt ist innerlich beteiligt an dem Vorgang, keine wirkt als Statist.

Rechts sind wir im Kapitelsaal. Der Abt hat sich die Hauptschuldigen kommen lassen, redet vor allem dem Mann mit dem Schlüsselbund ins Gewissen. Mahnt zu Demut und Buße und verkündigt feierlich, kehre er nicht um, so werde ihn in Kürze das Strafgericht Gottes ereilen. Dem Verstockten hockt der Teufel auf den Schultern. Mit seinem Geierschnabel, aus dem lüstern die Zunge lang vorschnellt, scheint er zu flüstern: nicht nachgeben.

Es verschwören sich Brüder, der Herren Gebot zu vereiteln, was aber Gott verhindert durch des Verschwörers Tod.

In einem Raum des Konversenhauses stecken sie die Köpfe zusammen und wieder bläst der Böse ein, stachelt auf zu größerer Sünde. Diesmal ist der Teufel schweinsköpfig gezeichnet.

Auf der Freitreppe des Konversenhauses stürzt der Teufel auf den Hauptschuldigen und reißt ihm den Kopf ab. Entsetzt fliehen die Gefährten. Ahnungslos schreitet unten, zu ebener Erde, ein Mönch den Gang ab, ein Licht in der Hand. "Wie es scheint, wurde nach der Schönauer Überlieferung die Ausführung des Unternehmens dadurch verhindert, daß im entscheidenden Augenblick die Laienbrüder, durch das Licht eines Mönches überrascht, die Flucht ergriffen, wobei durch einen Fall der Rädeslführer das Genick brach." (Hufschmid)

Godefridus der Abt will im freien Feld den Frevler begraben, doch inständiges Fleh'n erreicht ein geweihtes Grab.

Nun ist der Widerstand der Aufrüher gebrochen. Das letzte Bild zeigt sie knieend, demütig bittend, auf dem Friedhof. In der alten Fußbekleidung offenbar, denn der Mann im Vordergrund hat gar geflickte Sohlen. Der Abt will den Elenden im freien Feld begraben lassen, jeder, der nicht im Frieden mit der Kirche starb, hat ein Grab in geweihter Erde verwirkt. Geweiht aber wird der Friedhof, damit böse Dämonen nicht Zugang finden, der heilige Boden schützt den Toten, hilft ihm mit zum Heil. Nichts Furchtbareres konnte der mittelalterliche Mensch sich denken, als von der Ruhestätte zwischen den Frommen ausgeschlossen zu sein. Ingrimmig lauert draußen der Teufel: er weiß, tragen sie jetzt den Toten heraus, verscharren ihn irgendwo außerhalb des Friedhofs, so gehört seine Seele ihm. So bitten die Konversen für ihren Bruder, für den sie schon ein Grab ausgehoben haben. Und geloben, sie wollten künftig ablassen von ihrem bösen Tun. Nie wieder soll ein Wort über neue Schuhe über die Lippen entschlüpfen.

Auch der Tote erhebt noch flehend seine Hände. Endlich erlangen sie durch ein herzliches Bitten das Grab in geweihter Erde. Das Unheil ist abgewendet, die Autorität des Abtes, der für seine Untergebene Gottes Stellvertreter ist, wiederhergestellt.

Nicht allzulange später, 1196, geschah in Volkerode, einem Zisterzienserkloster nördlich des Thüringer Waldes, daß auch dort die Konversen eine Verschwörung anzettelten. Die Hauptanstifter wurden vom Generalkapitel exkommuniziert. Bald darauf starb einer von ihnen und der Abt ließ ihn gegen Vorschrift kirchlich bestatten. Für die Ordnungswidrigkeit wäre der Abt fast abgesetzt worden. Nur darum, weil ihn die gute Absicht gleitet hatte, die aufgespeicherte Erbitterung einzudämmen und der Leichnam noch vor dem Generalkapitel von ihm mit eigener Hand ausgegraben war, entging er der entehrenden Strafe. Aber er mußte 6 Tage in leichter Schuld sein, durfte 40 Tage seinen Abtssitz nicht einnehmen, hatte solange jeden Freitag bei Wasser und Brot zu fasten und sich aller gottesdienstlichen Handlungen zu enthalten.

Für die Zukunft aber, so bestimmte das Generalkapitel, sollte jeder Abt, der gleiche Schuld auf sich lud, von seinem Vaterstab ohne Widerspruch abgesetzt werden. Gewiß hat Godefridus Nachfolger vom Generalkapitel zu Citeaux diese Kunde mitgebracht nach Schönau und ergriffen mögen die Mönche an jenem Tag gedacht haben, als Abt Godefridus dem Anstifter der Stiefelrevolte, der glücklicherweise noch vor Ausführung seines Anschlags starb, das Grab auf dem Friedhof gewährte.